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Die Grenzregime entlang des Eisernen Vorhangs - Überblick

Nach dem Bau der Mauer am 13. August 1961 versuchten zahlreiche DDR-Bürger über die Grenzen eines jener „sozialistischen Bruderländer“, in die Touristenreisen möglich waren, in den Westen zu flüchten. Das waren vor allem die ČSSR, die Ungarische Volksrepublik und die Volksrepublik Bulgarien. Aber auch über die Grenzen Rumäniens und Polens wurden Fluchtversuche unternommen. Den zahlreichen gelungenen Fluchten über die Grenzen des „Eisernen Vorhangs“ außerhalb der DDR stehen eine unbekannte Zahl von Festnahmen und Todesfällen bei Fluchtversuchen gegenüber. Der Entscheidung für eine Flucht über die Grenze eines „sozialistischen Bruderstaates“ zu wagen, lag in der Regel der Gedanke zugrunde, dass diese Grenzen weniger scharf bewacht und vor allem weniger modern ausgerüstet seien, als die innerdeutsche Grenze. Durch westliche Medien waren der Schiessbefehl, die Selbstschussanlagen und Minenfelder sowie Bilder und Berichte über getötete DDR-Flüchtlinge in der DDR weithin bekannt. Für die Grenzregime in den anderen Ostblockstaaten galt das weniger.

Über die ČSSR versuchten vermutlich die meisten DDR-Flüchtlinge, in den Westen zu gelangen. Das südliche Nachbarland der DDR war leicht zu erreichen und hatte eine Westgrenze mit Bayern und Österreich. Auch zahlreiche auf Fluchthilfe spezialisierte Gruppierungen versuchten über das Territorium der ČSSR DDR-Bürger in den Westen zu bringen.

Die westliche und südliche Grenze der Ungarischen Volksrepublik nach Österreich und Jugoslawien wurde 1949 vollständig geschlossen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Bewohner der ungarischen Grenzregionen sowohl nach Österreich als auch nach Jugoslawien frei bewegen können, familiäre und wirtschaftliche Beziehungen blieben möglich. Fluchtversuche von DDR-Bürgern über die Ungarische Volksrepublik führten zumeist auf dem Landweg nach Österreich, häufig kam es aber auch an der weniger stark bewachten ungarisch-jugoslawischen Grenze zu Fluchtversuchen.

Die Grenzen der Volksrepublik Bulgarien in Richtung der NATO-Länder Türkei und Griechenland sowie ins blockfreie Jugoslawien wurden nach dem Untergang der bulgarischen Monarchie (1944) und während der Zeit des Kalten Krieges von Bulgaren und Bürgern der übrigen Ostblockländer überquert, um in den Westen zu fliehen. Schon vor der Errichtung des Eisernen Vorhangs waren die Süd-Grenzen Bulgariens zu den beiden mit Bulgarien verfeindeten Nachbarländern Türkei und Griechenland hermetisch abgeriegelt. Zu Fluchtversuchen über die Grenzen Bulgariens entschlossen sich viele DDR-Bürger in der Annahme, die Grenzen des rückständigsten Ostblocklandes seien weniger stark bewacht und damit am leichtesten zu überwinden. Während der Zeit des „Eisernen Vorhangs“ starben an den bulgarischen Außengrenzen nach offiziellen Angaben des bulgarischen Innenministeriums aus dem Jahr 1992 mehr als 330 Menschen unterschiedlicher Nationalität bei Fluchtversuchen. Erste Untersuchungen der Biographien ostdeutscher Bulgarienflüchtlinge ergaben jedoch, dass die bisher vorliegenden bulgarischen Angaben nur eine erste Orientierung darstellen – es sind inzwischen deutlich mehr deutsche Todesopfer bekannt, als die in den Angaben des bulgarischen Innenministeriums enthaltenen Fälle.

Der wichtigste Fluchtweg aus Rumänien war die Donau an der gemeinsamen Grenzlinie zwischen Rumänien und dem blockfreien Jugoslawien. Sehr viele Menschen unterschiedlicher Nationalitäten, darunter auch viele junge Leute aus der DDR, versuchten die Donau zu durchschwimmen, um anschließend über Jugoslawien nach Österreich oder nach Italien zu gelangen. Ihnen war nicht bewusst, dass der Wasserweg höchst gefährlich und streng bewacht war. Auch auf diesem Fluchtweg kam es zu Todesfällen von DDR-Flüchtlingen.

Fluchtbewegungen aus der DDR in die Volksrepublik Polen sind vor allem aus der Endphase des SED-Staates bekannt, als DDR-Bürger in die Botschaft der Bundesrepublik gelangen wollten, um ihre Ausreise nach Westdeutschland zu erreichen. Aus früheren Jahren sind Fluchtversuche über die Ostsee bekannt sowie Einreisen nach Polen, um von dort über die grüne Grenze zunächst in die ČSSR und dann weiter in den Westen zu gelangen.

Die Sicherheitsorgane der DDR und der anderen Ostblockstaaten versuchten seit den frühen sechziger Jahren gemeinsam die Fluchtbewegung von DDR-Bürgern über den „Eisernen Vorhang“ zu unterbinden. Zwischen dem DDR-Staatssicherheitsdienst und den „Bruderorganen“ in den Innenministerien der sozialistischen Staaten wurden dazu entsprechende Verträge geschlossen und die Stationierung von „Operativgruppen“ der Stasi in diesen Ländern mit Ausnahme Rumäniens vereinbart. Auch die diplomatischen Vertretungen der DDR wurden in das System der Überwachung von DDR-Reisenden eingebunden und spielten bei der Vertuschung der Todesumstände von DDR-Flüchtlingen eine Schlüsselrolle.